Parham Shahsavari, gerade mal 21 Jahre alt, hat in seinem noch jungen Leben bereits einiges im wahrsten Sinne „auf die Kette gebracht“. Begonnen hat alles in seiner Heimatstadt Karaj, eine Großstadt nahe Teheran. Dort hat er ein Sportgymnasium besucht und eigentlich eine Leidenschaft für Volleyball entwickelt, bis ihm ein Trainer sagte, dass er es als Talent im Radsport viel weiterbringen könne. Parham Shahsavari sattelte im wahrsten Sinne um, wurde Biker und in der Folge dann 2021 zweimal iranischer U19-Landesmeister im Zeitfahren auf der Straße und im XCO-Mountainbiken. Über seine Flucht erzählt er nicht viel, nur so viel, es seien religiöse Gründe gewesen, die ihn veranlasst haben, sein Heimatland zu verlassen. Nach nur rund zwei Jahren spricht der junge Mann fast fließend Deutsch.
Der Vorstand erkannte schnell das ungeheure Potenzial, das in dem jungen Mann, der es im Fahrradsattel im Iran zweimal bis zum Landesmeister in der Jugendklasse geschafft hatte, steckt. Die MT Melsungen entschied, sein Talent zu fördern, ihn mit dem notwendigen Material auszustatten und ihm zwei Räder zu Trainings- und Wettbewerbszwecke leihweise zur Verfügung zu stellen.
Bei der Weltmeisterschaft dieses Jahr konnte Parham Shahsavari im XCO-Wettbewerb leider nicht in die Spitzengruppe vorstoßen. Das Refugee-Team, mit dem er gemeinsam mit anderen Geflüchteten, die noch keine Staatsbürgerschaft in einem europäischen Land und deshalb auch noch keine Startberechtigung in einer Nationalmannschaft hatten, angetreten war, verfügte nicht über die notwendigen Mittel, die einen längeren Akklimatisierungsaufenthalt in der in den Pyrenäen auf 1500 Metern Seehöhe gelegenen WM-Region ermöglicht hätten. Drei Tage mussten reichen, reichten aber nicht: „Ich wurde überrundet, und wer überrundet wird, scheidet aus“.
Dabei war die Landesmeisterschaft für ihn einigermaßen überraschend gekommen, eigentlich hatte er sich auf eine Hessen-Cup-Fahrt vorbereitet. Seine Motivation, mit aller Kraft in die Pedale zu treten, hat darunter nicht gelitten, im Gegenteil, es spornte ihn nur an, zumal sich das Geläuf als recht anspruchsvoll erwiesen hat, ganz nach seinem Geschmack. Eine gemütliche Ausfahrt geht anders. In den Tagen vor der Meisterschaft hatte es geregnet. „Die Strecke war sehr rutschig und entsprechend schwierig zu fahren, vor allem die Kurven hatten es in sich, aber auch die Sprünge“, erzählt er. Der 20 Kilometer lange Kurs war in sechs Runden zu fahren, wobei es jeweils 630 Höhenmeter zu überwinden galt. Trotz des sehr anspruchsvollen Geländes kam Shahsavari am Ende auf einen beachtlichen Schnitt von 16 km/h. Damit gewann er das Rennen mit einem Vorsprung von ein paar Minuten auf den Zweitplatzierten.
Wenn Parham Shahsavari in den Sattel steigt, sitzt er auf einem High-Tech-Sportgerät. Die Gänge der nur zehn Kilo schweren Rennmaschine werden nicht mehr über einen Bowdenzug gewechselt, sondern elektronisch per Knopfdruck vom Lenker aus, ohne Kabel. Als Parham Shahsavari noch nicht täglich an der Uni für sein Studium büffelte, war er wöchentlich zu Trainingszwecken ungefähr 300 Kilometer unterwegs, das war Standard. Wegen des Studiums muss er nun allerdings etwas kürzertreten. Sorgen bereitet es ihm allerdings momentan, dass sein Mountainbike zum Service muss. In der Liga, in der Parham Shahsavari unterwegs ist, sollte das Gerät, damit es im Wettbewerb zuverlässig mithalten kann, etwa alle 1000 Kilometer zum Checkup, bei Shahsavaris Rad ist das allerdings schon 5000 Kilometer her, er ist also längst überfällig. Da es sich um eine ausrüstungsintensive Sportart handelt, erhofft er sich, schon in Kürze Unterstützung durch Betriebe oder Teams erhalten zu können.
Auch wenn Parham Shahsavari momentan wenig Zeit fürs Radeln hat, so will er doch in jedem Fall „am Ball bleiben“ und, wohlwissend, dass Sport auch Treibstoff für die Integration sein kann, weiterhin sportliche Ziele verfolgen: „Vielleicht Deutscher Meister oder Weltmeister werden, als Deutscher“, meint er und fügt selbstbewusst hinzu, dass „Olympia“ unter Umständen auch eine Option wäre, zumindest sind die fünf Ringe für ihn ein gern geträumter Traum. Nach Abschluss seines Studiums in Sportwissenschaften will er als Berufstrainer arbeiten, natürlich im Radsportbereich. Mit dem Hessentitel hat er die Tür zum beruflichen Erfolg schonmal ein Stück weit geöffnet.
Sebastian Fischer, stellvertretender Geschäftsführer des DRK-Kreisverbandes, zeigt sich von der Leistungsbilanz und dem Ehrgeiz des Iraners beeindruckt und gratuliert zur Hessenmeisterschaft, zeige sie doch, dass Geflüchtete durchaus ihren Platz in der Gesellschaft haben können.
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Sie ist echt: Stolz beißt Parham Shahsavari in die bei der Hessenmeisterschaft im XCO-Wettbewerb errungene Goldmedaille und präsentiert dabei die dazugehörige Urkunde. Foto: DRK-Pressestelle